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SLM meets Modellguss: Was macht den digitalen Klammermodellguss so interessant?

18.04.2018

Lange Zeit galt der Klammermodellguss als manuell geprägtes Hoheitsgebiet im Dentallabor. Nun kann die klassische Gusstechnologie durch das digitale SLM-Verfahren (Selective Laser Melting) ersetzt werden. Dr.-Ing. Jürgen Lindigkeit beschäftigt sich als Metallurge und Werkstoffwissenschaftler u. a. mit edelmetallfreien Legierungen und der SLM-Technologie. Jens Bünemann ist Technischer Leiter der Flemming Dental GmbH und im Fertigungszentrum Flemming Tec (Leipzig) eng mit der CAD/CAM-Technologie vertraut.

Herr Bünemann, was sind die Vorteile der digitalen Fertigung eines Modellgusses?
Bünemann: Mit dem digitalen Modellguss wird die laborseitige Fertigung in einen sehr sauberen Prozess überführt. Zu unterscheiden sind zwei Verfahren. Bei der CAD/Cast-Technologie wird das CAD-konstruierte Gerüst in ausbrennbarem Kunststoff gedruckt und anschließend im Gussprozess umgesetzt. Das ist jedoch nur der halbe Schritt zum digitalen Modellguss, denn der Gussprozess bleibt im Labor. Wirklich digital ist die SLM-Technologie. Betriebswirtschaftlich interessant ist die Flexibilität. Je nach Kapazität kann der Modellguss in verschiedenen Fertigungsstadien – Rohgerüst, ausgearbeitet oder geglänzt – geordert werden. Zudem werden mit der digitalen Fertigung das Arbeitsumfeld und damit die Modellgusstechnik deutlich attraktiver und interessanter für Techniker, was in Zukunft ein wichtiger Aspekt sein wird.

Sie sprechen hauptsächlich von unternehmerischen Vorteilen. Was ist mit der Fertigungsqualität?
Bünemann: Hier haben wir gegenüber der konventionellen Technik eine geringere Fehleranfälligkeit und eine hohe Genauigkeit. Die werkstoffkundlichen Probleme der Gusstechnik (inhomogenes Gefüge, Lunker etc.) werden durch die industrielle Fertigung weitestgehend ausgeschlossen.

Wie verändern sich die Abläufe im Labor?
Bünemann: Das Labor muss seine Prozesse auf die digitale Fertigung adaptieren. Die Lieferzeiten betragen bei einem SLM-gefertigten Modellguss zirka 4 Werktagen. Dies ist entsprechend im Laborprozess zu berücksichtigen und ggf. an Kunden zu kommunizieren.

Welche Chancen bietet Ihnen als Flemming Tec die SLM-Fertigung?
Bünemann: Die große Chance der SLM-Technologie ist, dass durch das aufbauende Verfahren in der Freiform-Technik alle Geometrien umsetzbar sind. Gerade beim Modellguss haben wir komplexe Geometrien, die sich problemlos umsetzen lassen. Im zerspanenden Verfahren sind dem Grenzen gesetzt. Zudem agieren wir mit der additiven Technologie deutlich wirtschaftlicher; es fallen kaum Abfallprodukte an. Die SLM-Technologie ist eine sichere und effiziente Fertigungsweise. Hinsichtlich Festigkeit, E-Modul, Federhärte und der Duktilität der CoCr-Legierung werden hervorragende Ergebnisse erzielt. Dies bestätigt zusätzlich zu unseren Erfahrungen im Labor das aktuelle Sachverständigenpapier von Dr. Lindigkeit. Derartig objektive, werkstoffkundlich evaluierte Fakten geben uns im Alltag die notwendige Sicherheit.

Herr Dr. Lindigkeit, bitte erläutern Sie die SLM-Technik und deren Anwendung.
Lindigkeit: Beim selektiven Laserschmelzen wird Metall in Pulverform als dünne Schicht auf eine Bauplatte aufgetragen. Ein Laserstrahl schmilzt das pulverförmige Metall lokal auf; danach erkaltet das Material in entsprechend konfigurierter Form. Es wird immer wieder neues Metallpulver aufgetragen und durch einen Laser mit dem Untergrund verschmolzen. So entsteht Schicht für Schicht ein dreidimensionales Objekt. Grundlage für die Konstruktion eines Prothesengerüstes bildet der vom Zahntechniker erstellte STL-Datensatz. Im Bereich von Kronen und Brücken ist SLM zum Standard geworden. Auch beim Klammermodellguss wird SLM z. B. von Flemming Tec erfolgreich angewandt.

Sind wirklich dem Gussverfahren ähnlich gute Materialkennwerte (z. B. Federhärte) zu erreichen?
Lindigkeit: Ja, es sind nicht nur ähnliche, sondern bessere Werter erreichbar. Durch die feinen eingesetzten Pulverpartikel ist das Gefüge sehr feinkörnig im Vergleich zu einem Gussgefüge. Daraus resultiert nicht nur eine höhere Festigkeit, sondern auch – wie zumindest dem Werkstofffachmann bekannt ist – eine höhere Ermüdungsfestigkeit. Dies bedeutet, dass bei sonst gleicher Gestaltung z. B. das Risiko eines Klammerbruchs reduziert ist.

Können Klammern SLM-gefertigter Strukturen aktiviert werden wie bei einem gegossenen Gerüst?
Lindigkeit: Aktivieren von Klammern bedeutet das Erzeugen einer geringen plastischen (bleibenden) Verformung, um z. B. einen abstehenden Klammerarm anzulegen oder die Retentionskraft zu erhöhen. Dies ist umso besser und sicherer ohne Gefahr eines Klammerbruchs möglich, je höher die Bruchdehnung einer Legierung ist. Bedingt durch das homogene und feinkörnigere Gefüge beim SLM-Bauprozess ist die Bruchdehnung in der Regel höher als beim dentalen Feinguss. Die Aktivierbarkeit von Klammern ist also sicherer und besser, da mehr „Reserve“ an Duktilität zur Verfügung steht.

Was sagt die Studienlage zu Langzeit-Überlebensraten?
Lindigkeit: Langzeitstudien zu SLM-gefertigten Modellgüssen sind derzeit nicht bekannt. Die genannten Vorteile der SLM-Technik gegenüber dem Gussverfahren lassen aber eher eine bessere als eine schlechtere Langzeitprognose erwarten. Dies deckt sich auch mit den gefühlten, nicht evidenzbasierten Erfahrungen des Praktikers. Derzeit wird von Flemming Dental eine Langzeitsimulationsstudie zur Überlebensrate von Klammern (SLM-Technologie) mit entsprechenden Kooperationspartnern in die Wege geleitet, um zusätzlich zu den praktischen Erfahrungen wissenschaftliche Evidenz zu erhalten.

Herr Bünemann, wie ist Ihre Erfahrung bezüglich Duktilität, Ermüdungsfestigkeit, Federhärte etc.?
Bünemann: Wir produzieren in unserer Laborgruppe seit etwa 1,5 Jahren regelmäßig digitale Modellgüsse in der SLM-Fertigung. In dieser Zeit hat sich die Fertigungsqualität wesentlich verbessert, da auch die Zulieferer an Erfahrung gewonnen und ihre Arbeitsschritte angepasst haben. So sind z. B. „Verzüge“ kaum noch Thema. Wie Dr. Lindigkeit schon sagte, sind Ermüdungsfestigkeit, Federhärte etc. dem gegossenen Gerüst überlegen. Dies ist abhängig vom verwendeten Materialpulver. Wir arbeiten mit einer Klasse-5-Legierung, die zugleich für die Kronen- und Brückentechnik angewandt wird. Das hat große Vorteile, da mit einer solchen „Allround“-Legierung effizienter und sicherer gearbeitet werden kann.

Was können Sie als technischer Leiter dem Leser und potenziellen SLM-Anwender mitgeben?
Bünemann: Es gilt, allein die Fertigungstechnologie entscheidet nicht über die erfolgreiche Umsetzung eines Modellgusses. Auch beim SLM wird nur das umgesetzt, was ein kompetent geschulter Zahntechniker konstruiert. Die bewährten Vorgaben an Statik, Design und Funktion müssen beachtet werden. Momentan beobachten wir häufig das Problem, dass es entweder erfahrene Modellgusstechniker gibt, die mit dem CAD/CAM-Prozess nicht vertraut sind. Oder wir haben routinierte CAD/CAM-Techniker, die in der Gestaltung eines Modellgusses nicht bewandert sind. Hier heißt der Schlüssel zum Erfolg: Schulung und Vernetzung der Techniker!

Das Interview führte: Annett Kieschnick, Fachjournalistin

Bild: Beispielhafte Platzierung der Stützstruktur (Modellguss, SLM-Fertigung), Quelle: Lindigkeit



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